Die Ehre des ersten richtigen Artikels wird Toivonen – Finnlands schnellste Familie von Esa Illoinen zuteil. Und soviel vorweg: Es ist ein rundum gelungenes Buch, ich habe es regelrecht verschlungen. Dabei bin ich grundsätzlich nicht der große Biografie-Junkie. Doch paradoxerweise liegt genau im konsequent verfolgten biografischen Ansatz die große Stärke dieses Werkes. Hier stehen weder die Autos und deren Technik im Vordergrund. Auch wird sich nicht sinnlos an Rennberichten und den dazugehörigen Ergebnislisten abgearbeitet. Worunter etwa die Qualität des Lindner-Buches deutlich leidet.
Illoinen konzentriert sich stattdessen auf die menschliche Seite der Toivonens. Akribisch zeichnet er die jeweiligen Laufbahnen nach. Durchaus ergebnisorientiert, aber nicht in den alleinigen Mittelpunkt stellend. Die chronologische Sortierung dient dabei vor allem der minutiös beobachteten Gesamtentwicklung dieser drei zum Teil so unterschiedlichen Charaktere. So umgeht er etwa den Kardinalsfehler der Lindner-Biographie, die über weite Strecken zu einer Abhakerei von Ergebnislisten verkommt. Hier kommt hingegen auch die private Seite nicht zu kurz, ohne jemals in die Untiefen des Boulevard-Tratsches abzudriften. Vor allem Pauli und Henri bieten hier genügend spannende Facetten, die für weit über 200 kurzweilige Seiten reichen.

Was mir dabei sehr gut gefällt, ist die weitgehend neutrale Perspektive Illoinens. Er hält schön die Balance zwischen echtem Insider und außenstehendem Beobachter. Viele Biographien neigen zu Schönfärberei, zu schamloser Beweihräucherung und verkommen dadurch zur bunten Werbebroschüre. Oder sie zeichnen ein übertrieben negatives Bild des Protagonisten, so als wären sie auf einem Rachefeldzug. Beim Autor spürt man zwar die Zuneigung und Verbundenheit zur Toivonen-Familie. Gleichzeitig geht er auch oft genug auf kritische Distanz. Etwa bei den gar nicht seltenen privaten Eskapaden; auch Henris materialvernichtende Fahrweise kommt regelmäßig ziemlich schlecht weg. Mitunter schimmert sogar ein wenig Illoinens Bedauern durch, dass Henri damit das ein oder andere Jahr seiner kurzen Karriere verschwendet habe.
Insgesamt ist das Toivonen-Buch – trotz des tragischen Höhepunkts – ein reines Lesevergnügen. Und erfüllt perfekt den Zweck einer Biografie: Interesse für die Person(en) wecken, ohne Kenner der Materie mit Banalitäten zu langweilen. Illoinen schreibt dabei locker, aber nicht flapsig; die Seiten flutschen nur so dahin. Man merkt einfach, dass er ein Vollprofi ist.
Beim Autor spürt man zwar die Zuneigung und Verbundenheit zur Toivonen-Familie. Gleichzeitig geht er auch oft genug auf kritische Distanz.
Schwachpunkte fand ich nur wenige. Einer ist sicherlich, wie der Autor den jüngeren Bruder Harri angeht. Der wird – was rein chronologisch natürlich Sinn macht – schon bei Henris Karriere regelmäßig mit eingeflochten. Für die Zeit nach dessen Unfalltod spendiert Illoinen dem Junior ein eigenes Kapitel. Nun war Harris Rennkarriere nicht übermäßig ertragreich – doch selbst dafür geriet dieser Part relativ kurz. Und wirkt dabei etwas hektisch, mitunter gar lustlos zusammengeschrieben. Und manchmal hätte dann doch die ein oder andere Ergebnisliste zum Verständnis und der Orientierung bei den stark rennlastigen Textabschnitten beigetragen.

Einen Schönheitspreis gewinnt „Toivonen – Finnlands schnellste Familie“ keinen. Das Layout geht als übersichtlich durch, wirkt über weite Strecken aber arg bieder. Als ehemaliger Zeitschriftenredakteur ist mir bewusst, wie aufwändig die Gestaltung eines Artikels sein kann; ich weiß aber auch, wie schnell ein routinierter Grafiker Standardseiten runterreißen kann. Bei Toivonen hatte er wohl maximal eine Viertelstunde pro Seite zur Verfügung. Ein Problem, das leider viele einschlägige Fachbücher betrifft. In diesem Fall irgendwie schade, da zum Beispiel die “Grüße aus Finnland”-Doppelseite wunderbar zeigt, wie es auch anders ginge.
Davon abgesehen passt der handwerkliche Aspekt. Die Übersetzung geriet astrein und liest sich bis auf wenige Stellen wie ein nativ auf Deutsch geschriebener Text. Negativ fallen hier höchstens die manchmal nicht korrekt übersetzten, im Deutschen eben auch extrem komplzierten Zeiten auf. Eine tolle Bilderauswahl, hervorragende Druckqualität und hochwertiges Papier runden den positiven Eindruck ab. Und nicht zuletzt macht der Dauer-Sonderpreis von nur 24,90 Euro den Kauf (nicht nur) für Rallye-Fans zum absoluten No-Brainer.
Toivonen - Finnlands schnellste Familie 24,90 Euro

Buchautor: Esa Illoinen
Buchausgabe: Deutsch, Englisch
Buchformat: Hardcover
Publisher - Orgnization: McKlein Publishing
Logo des Herausgebers:
Erscheinungsdatum: 1. January 2012
ISBN: ISBN-2345-2532-2355-2342
Anzahl der Seiten: 228
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Inhaltliche Qualität/Tiefgang - 9/10
9/10
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Schreibstil/Lesespaß - 8/10
8/10
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Aufmachung/Layout - 6.5/10
6.5/10
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Auswahl/Qualität Bilder - 9/10
9/10
Urteil
Einfühlsame Biografie der Toivonen-Familie, die sich auch mal kritisch mit den Protagonisten auseinandersetzt. Viel Tiefgang, erstaunliches Detailwissen und dabei trotzdem locker und flüssig zu lesen. Lediglich der Harri-Toivonen-Part wirkt ein wenig lustlos.